nicht müde werden sondern dem wunder leise wie einem vogel die hand hinhalten. (hilde domin)

Freitag, 29. März 2013

30 nordost

30 nordost. das ist die neue adresse meines vaters.
er hatte sich schon vor langer zeit gewünscht, auf einem waldfriedhof bestattet zu werden, und so haben wir ihm gemeinsam einen schönen baum ausgesucht, den mit der nummer 30, an dem noch die grabstelle nordost frei war.

letzten freitag war die beerdigung, und es war ein wirklich schöner tag. unter strahlend blauem winterhimmel zogen wir nach einer stillen, von harfenklängen untermalten abschiedzeit in der kapelle über den friedhof in den wald.
mein 'kleiner' bruder tat, was er zu vaters lebzeiten nie geschafft hat, und trug die urne den ganzen langen weg in seinen armen. unter dem baum wurden die texte rezitiert, die vater sich gewünscht hatte ('stufen' von hermann hesse, 'wo?' von heinrich heine und der 'sonnengesang' des franz von assisi). der wind wehte eiskristalle von den hohen buchen, und die sonne brachte sie zum glitzern. es waren menschen gekommen, zu denen er jahrelang keinen persönlichen kontakt mehr hatte, und viele waren sehr berührt.
nach der beisetzung trafen wir uns in einem lokal, und alle nutzten die gelegenheit, um frohe erinnerungen auszutauschen. ich traf menschen, die ich zuletzt als kind gesehen hatte, und wurde wirklich beschenkt. und zuletzt waren wir noch in vaters wohnung, nochmal seine atmosphäre zu schnuppern, ihn zu spüren (seine wohnung hatte er sich wirklich beeindruckend gestaltet), erinnerungsstücke auszuwählen.

dieser letzte abschied in drei schritten - friedhof, beisammensein, wohnung - war sehr intensiv, friedlich und wohltuend. aus konventioneller sicht seltsame worte für einen beerdigungstag, doch uns scheint er gut gelungen.
es fühlt sich alles richtig so an.

die folgende woche verbrachte ich mit 'normalem' leben, das heißt arbeit und ferienkindern. und damit, mich an den gedanken zu gewöhnen, daß nun diese wohnung geräumt werden muß, in der mir viele stücke seit meiner kindheit vertraut sind...
loslassen.

diese woche abstand und gewöhnung hat es aber unglaublich erleichtert, mit der auflösung zu beginnen, und es fiel mir dann heute nicht sooo schwer, dinge auszusortieren, wegzugeben auf nimmerwiedersehen. und einiges dann doch zu behalten, wenigstens erstmal.

was mich begleitet, ist eine große müdigkeit. ich bin traurig, gelassen, ruhig, und sooo müde. es braucht anscheinend doch viel kraft, auch wenn es äußerlich entspannt ist.
doch alles ist gut.


"du bist nicht tot.
du wechselst nur die räume.
du lebst in uns
und gehst durch unsere träume."
(michelangelo)

dies gab der älteste freund vaters ihm am ende der bestattung mit auf die reise.
und ja, manchmal hab ich so eine ahnung davon und kann ein bißchen lächeln in gedanken an ihn, daß er jetzt frei ist und doch bei uns, in unseren herzen.
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3 Kommentare:

  1. Sehr berührend, wie du euren Abschied beschreibst.
    Viel Kraft für alles, was noch zu tun ist.

    Ein frohes Osterfest.

    Liebe Grüße
    Nula

    (Ich schicke dir eine Mail mit einer Schritt für Schritt Anleitung für die Schriften. Ist nicht schwer...Aber ich weiß nicht, ob ich morgen dazu komme.)

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  2. Das hört sich sehr stimmig an eure und deine Abschiedszeremonie. Ich hoffe, du kannst dich über die Feiertage etwas erholen.
    Michelangelos Spruch kommt in meine Sammlung, die neben mir steht. Es tut immer wieder gut das zu lesen und zu wissen WOHIN die Reise geht. So sind die Reisenden fern und doch nah.
    Viele Grüße
    Roswitha

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  3. Das klingt doch alles sehr rund. Und ja, es zehrt Kraft. Wunderbare Texte habt ihr Euch da ausgesucht. und den Spruch des Freundes mag ich besonders gern.

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