nicht müde werden sondern dem wunder leise wie einem vogel die hand hinhalten. (hilde domin)

Donnerstag, 14. März 2013

abschied

heute haben wir uns im abschiedsraum des bestattungsunternehmens von meinem, unserem vater verabschiedet. es ging nicht eher (und auch nicht woanders), weil er erst heute von der pathologie freigegeben wurde (wegen unklarer todesursache war er dorthin gebracht worden).
 
eine stunde hatten wir (nur) zeit, dort bei ihm zusein. obwohl ich etwas grausen davor hatte - ein anruf der bestatterin vorher warnte uns, weil er gestürzt war und eine kopfwunde hatte - war mir völlig klar, daß ich da hin will. und dann kamen wir in den schlichten, von kerzen beleuchteten raum, und waren alle so berührt und gleichzeitig erstaunt, denn er sah so anders aus. es war ganz offensichtlich und deutlich gar nicht mehr er selbst. es war wahrhaftig sichtbar, daß seine seele schon fort war.



Ich denke nicht, dass wir einfach schlafen gehen und das war´s.
Ich schätze, wir reisen, gehen woanders hin.
Wenn wir sterben, wird es mehr oder weniger genauso sein.
Wir werden hier sein, aber auch woanders.
Youssef Nabil

  (das schrieb mir vor ein paar tagen roswitha)

während wir dort saßen, schauten, weinten, berührten, erzählten, waren herr siebensachen und ich spontan derselben meinung, daß wir gerne mehrere tage bei ihm gesessen hätten. es war nicht, daß wir uns nicht trennen konnten, es war einfach zu kurz. es wäre schön gewesen, länger zu bleiben, mehr zu reden, mehr zu weinen, auch zu singen, zu schweigen, mehr geschenke mitzubringen, die ganze bandbreite auszukosten. in dieser einen stunde war das nur ansatzweise möglich. mir hat sie trotzdem sehr geholfen zu realisieren, daß er wirklich, wirklich fort ist. ich konnte ja sehen, daß er nicht mehr hier war. wie klug die menschen früher doch waren, eine lange totenwache zu halten! es ist so unbeschreiblich heilsam. (unsere kinder wollten allerdings nicht mitkommen, obwohl ich es aus genau diesem grund gut gefunden hätte. die jüngste hat ein bild gemalt, das ich ihm mitgab.)

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mir geht es soweit gut, ich bin halt traurig, aber es reißt nicht. bei der arbeit hab ich mich krankgemeldet, mein sous-chef gab mir sein ok. das gibt mir die möglichkeit, alles in ruhe anzugehen, nicht hetzen zu müssen. auch herr siebensachen hat freibekommen (nicht selbstverständlich, ist ja nur sein schwiegervater). morgen suchen wir einen baum auf dem waldfriedhof aus, danach ist die einäscherung. und nächsten freitag stehe ich wie gretas familie unter dem selben himmel zur verabschiedung unserer lieben, nur auf unterschiedlichen friedhöfen...


nehmt euch in den arm,
seht über den kleinkram hinweg,
habt euch lieb.
es kann so schnell vorbei sein.

7 Kommentare:

  1. Ich glaube auch, dass es gut ist die Totenwache zu halten. Ich kannte das lange nicht und wusste nicht, dass es möglich ist. Es gibt inzwischen viele schöne Alternativen Abschied zu nehmen, wenn man sich die Zeit dazu nehmen kann und möchte. Obwohl es bei euch nur eine kurze Zeit ist, hört es sich sehr intensiv und bewusst an. Für euch stimmig, so gut es geht.
    Alles LIebe und Gute, Roswitha

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  2. Du Liebe, es ist gut, dass du bei ihm warst. Und ich kann jedes Wort, jede Empfindung nachfühlen. Vor allem den Wunsch bzw. das fast körperliche Verlangen, länger bei dem Menschen zu verweilen, zu reden, zu berühren, zu "schützen". Wie schön wäre mindestens eine Nacht gewesen. Nach deiner Beschreibung ahne ich jedoch, dass ihr diese eine Stunde intensiv Abschied genommen habt, es wird euch bleiben.
    Und was du über die Seele schreibst, das sah ich ihrerzeit schon wenige Minuten nach dem Tod. Der Ausdruck verändert sich auch, er wird noch "entseelter". Mit all der Trauer wünsche ich dir ein intensives Spüren in diesen Tagen und Wochen. Fühl dich umarmt.

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  3. Danke, dass du diesen intensiven Moment mit uns teilst. Ich ahne immer deutlicher, welch tiefer Segen darin liegt, den Tod nicht auszuschliessen, sondern ihn anzuschauen, zu integrieren, mit ihm zu leben. Ich wünsche euch für die kommenden Tage viel von diesem Geschenk, in dem der Schmerz miteingepackt ist, aber worin doch auch soviel Offenheit, Durchlässigkeit, Sanftheit und Hinwendung zum Wesentlichen liegt. Möget ihr so euren Vater hinüber begleiten in die neue Wirklichkeit und ihr dadurch selber ein weiteres Stück näher kommen.
    Alles Liebe
    Gabriela

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  4. Wie gut ich Dich verstehe - ich bin dankbar dafür, dass mir diese Zeit mit meinem Vater geschenkt war, sein Hinübergehen zu sehen und zu spüren. Es hilft, den Kreis zu schließen. Ich wünsche Dir, dass Dir auch diese eine, kurze Stunde hilft anzunehmen, was ist. LG, katobia.

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  5. mein aufrichtiges beileid.....

    die sonnengewand^v^

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  6. ...es fällt mir immer schwer Worte zu finden, wenn Schicksal und Leben sich dergestalt kreuzen. Ich wünsche euch Kraft, Licht und Mut, ich glaube, das kann man immer gut gebrauchen. Mein, unser, Abschied von unserem Papa ist in ganz vielen kleinen Schritten passiert. Wann dieser Prozess zu Ende ist, mag ich nicht zu sagen. Ich trage dieses letzte Bild, als ich im Krankenhaus war, ihn ein letztes mal streichelte und verabschiedete tief in mir, und daneben sind viele andere. Wenn ich recht überlege, haben wir auch eine Totenwache gehalten, nur eben ohne seinen Körper, wir waren ja auch die ganez Nacht wach, zum Reden, erinnern und verabschieden. hach naja. Herzliche Grüße. .Pia

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  7. Das hast du so schön geschrieben. Alles Liebe!

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