nicht müde werden sondern dem wunder leise wie einem vogel die hand hinhalten. (hilde domin)

Samstag, 5. November 2011

grabbeigaben

frau tadellos gibt ihrem vater ein erinnerungsstück mit auf den letzten weg.

das mag für die einen sentimental, für andere auch befremdlich wirken.

wir haben genau das beim abschied von unserer zweiten tochter in den tagen der aufbahrung auch getan.
sie hatte ihre schönsten sachen an, sie bekam bilder, steine, spielsachen, ihren glücksbringer, schneckenhäuser, ein kuscheltier, blumen, briefe, karten, sogar (von der hebammenschülerin) ein stränchen echtes bärenfell in ihr weidenkörbchen gelegt.
ich hatte alle dazu eingeladen, dies zu tun, wenn sie es möchten.

es hat ungeheuer gut getan und uns allen den abschied erleichtert.
und ich bin so froh, daß wir instinktiv, ohne darüber nachzudenken, diesen doch unkonventionellen weg des abschieds gegangen sind. wir haben es einfach getan.

ich denke, seit jeher sind sämtliche bestattungsrituale vor allem dazu da, den weiterlebenden den abschied leichter zu machen. grabbeigaben wie nahrung, waffen, schmuck und andere reichtümer gaben in alten zeiten den menschen die gewissheit, noch ein letztes mal gut für ihre angehörigen gesorgt zu haben. die heutige variante 'blume ins grab - schaufel erde dazu' ist in meinen augen ein müdes relikt in einer gesellschaft, die sich völlig von dem urtümlichen und doch so zentralen vorgang des sterbens entfernt hat. doch hilft es den weiterlebenden nur vordergründig, nicht hinzugucken (hingucken zu dürfen), schnell weg, zackzack, drüberweg. der schmerz wird nur verdrängt und kommt dann zu andere zeit auf manchmal seltsame weise wieder zum vorschein. und sei es als seelische verhärtung.

deshalb möchte ich euch allen für den fall des falles mut machen, euch zu trauen, in ruhe abschied zu nehmen und euren lieben mitzugeben, was eurem bedürfnis entspricht.
während so einer aufbahrungszeit (die wir in der hiesigen christengemeinschaft erleben durften, die heute jedoch auch von vielen bestattungsunternehmen angeboten wird) kann mensch allein und gemeinsam singen, schweigen, erzählen, die gedanken schweifen lassen, den tod wahr-nehmen. und grabbeigaben verbinden euch noch einmal sehr schön auf ganz persönliche weise mit den verstorbenen, geben auch (zb in einem brief) die möglichkeit, im stillen nachzuholen, was  nicht mehr gesagt werden konnte. und auch für kinder kann so ein erlebnis sehrsehr wichtig und hilfreich sein, um den tod zu realisieren.

(schlimm fand ich den rat der freundin eines freundes an ihn, nicht hinzugehen mit den worten "tu dir das nicht an." wie schade für ihn, daß er NICHT da war.)

4 Kommentare:

  1. ICH fände es mehr als befremdlich wenn das irgendjemand befremdlich oder sentimental fände.

    es gibt wohl nichts individuelleres und subjektiv empfundeneres als trauer. und es scheint für eine menge menschen eine riesen herausforderung zu sein, trauer in ihren facetten stehen zu lassen wie ich selber erschrocken feststellen musste.....

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  2. frau siebensachen5. November 2011 um 21:38

    das subjektive empfinden ist eine seite. unantastbar individuell.

    die andere ist, daß es in der äußeren form nur so wenig vorgelebte möglichkeiten des trauerns/abschiednehmens gibt. daher kommt mM die unbeholfenheit so vieler im umgang mit trauer/nden.

    ich frag mich, wie es kommt, daß die alten rituale/gewohnheiten verschwunden sind. daß die menschen nicht zuhause im kreis ihrer lieben sterben dürfen, sondern in abstellräume geschoben werden (krasses beispiel, klar. aber realität.). daß das große zeremoniell zu konvention auf minimalstem niveau reduziert ist.

    wie sollen die menschen individuell trauern, wenn ihnen nur so mickrige hülsen wie 'blume ins grab' angeboten werden? wenn abschiede mal eben schnell am krankehaussterbebett statfinden müssen? wenn kinder nicht bei trauerfeiern dabei sein dürfen?

    wie sollen menschen so trauern lernen?

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  3. möchte dir einen lieben Gruß dalassen
    und finde es schön und sehr liebevoll, wie ihr eure kleine Tochter verabschieden konntet
    in den letzten Jahren hat sich auch einiges getan in der Achtung und dem Respekt
    vor den trauernden Eltern und es wird auch immr mehr möglich .
    herzlichst
    Sanne mit zwei Sternenkindern

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  4. frau siebensachen9. November 2011 um 21:03

    danke für deinen gruß.

    (ich finde es übrigens sehr berührend, wie du es ausdrückst: 'two born for heaven'!)

    ja, es wird zum glück immer mehr möglich.
    aber dieses 'mehr' ist schon noch klein ;-)
    was wir so alles auf der intensivstation mitbekommen haben... (nicht vom personal, die waren fast alle supertoll). es gibt menschen, die halten trauer und abschied nicht aus. da kam es vor, daß eltern ihr todkrankes kind einfach verlassen haben, nicht mehr gekommen sind. (ich könnt jetzt noch heulen, so unbegreiflich ist mir das.)

    herzliche grüße!

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